Man kann das Konzert von Nick Cave in Zürich kaum reflektieren, ohne seinen Schicksalsschlag auszusparen, ihm ist das schlimmste passiert, das Eltern passieren kann. Er verlor vor zwei Jahren seinen Sohn Arthur bei einem Unfall. Dieses Drama hat seine Kunst seitdem überschattet und beeinflusst. Das dunkel zitternde und rohe Album „Skeleton Tree“ sowie die Doku über die Entstehung dieser Platte „One more time with feeling“ zeugen davon.
Cave stieg in Zürich denn auch mit drei Songs der letzten Platte ein. Anthrocene, Jesus Alone, Magneto der Auftritt beginnt als das Konzert, das alle erwartet haben. Das auch jeden zufrieden gestellt hätte. Was auffällt: die Bad Seeds um Waren Ellis sind am hinteren Bühnenrand arrangiert und wirken so eher wie ein Orchester denn als Band.
Ab Higs Boson Blues und From Her to Eternity jedoch explodiert Nick Cave. Er ist natürlich ein erfahrener und begnadeter Entertainer, aber die Energie, die Kraft und die verzweifelte Wut, die er in diese beiden karriereumspannenden Songs legt, sind nicht mehr von dieser Welt. Auch Tupelo, der Track über den Zwillingsbruder von Elvis, der bei seiner Geburt starb ist intensive Kunst die fast weh tut. Cave ist in diesen Momenten ein dunkles Tier, das aus dem Sumpf emporschnellt und mit einem Schrei all den stinken und schmerzenden Dreck, Morast und Schmodder abschüttelt, der uns soviel Dunkelheit und Verzweiflung bringen kann.
Mir wird in dem Moment klar, das solche Kunst den Zustand der reinen Unterhaltung schon längst hinter sich gelassen hat. Sie hilft Schmerzen zu lindern, Wunden schneller heilen zu lassen und die Narben besser zu ertragen. Beim Künstler und bei seinem Publikum. Einmal, bei Girl in Amber nimmt er direkten Bezug auf die Tragödie in seiner Familie. Auf der Leinwand im Hintergrund sehen wir einen Outtake aus „One more Time with Feeling“, seine Frau Susie läuft den Strand von Brighton entlang, im Hintergrund ein halb verfallenes Pier für einen Moment ist die Aufnahme eines kleinen Jungen zu sehen.
Nick Cave hat sein Publikum in Zürich dabei immer im Griff. Es gibt keine Trennung zwischen Authentizität und Inszenierung. Er übt sich mit seinen 60 Jahren immer noch gern im Stage Diving. „The Weeping Song“ verwandelt er mitten im Publikum in eine große Handclapping Choreografie, die fast schon ins sakrale kippt. Back to stage, bringt er seine Fans gleich mit und teilt mit ihnen die Bühne. Das ist nie anbiedernd sondern wirkt organisch wie ein Videoclip zu „Push the sky away„, das den Gig abschließt.
Ich weiß nicht wann ich zuletzt nach einem Konzert minutenlang paralysiert vor der Bühne stand.
Neben mir wischt sich eine Frau die Tränen aus den Augen.
That’s Art – That’s Life.
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