LCD Soundsystem – american dream
Wenn DIE stilbildende Band der Nullerjahre im Jahr 2017 ihr Comeback feiert, ist das nicht risikofrei. LCD Soundsystem standen immer für Authentizität und Integrität. Für eine Band aus Nerds, die Musik über eine Band aus Nerds macht. Für das Aufsaugen nerdigen Träumen und das konstruieren von Musik, die mehr als ihre Einflüsse. American Dream setzt die Erzählung von James Murphy jeoch ansatzfrei fort. Ich höre aus dem Album Brian Eno irgendwo mäandert Robert Fripps Gitarre, ein wenig Lodger von David Bowie und geile Musik von LCD Soundsystem. Und deshalb feieren wir mit american dream ganz heimlich und verstohlen ein erstes 00er Revival.
“Everything Now” ist ein wichtiges Album, es verhandelt den Konsumismus den kranken Narzismuss und eben im Titeltrack den unbedingten Wunsch Alles und das sofort zu haben und letztendlich nichts zu bekommen. Was in Creature Comfort seine Fortsetzung findet, ein treibender Song über den Selbstmord als Lösung gegen die gähnende Leere, die der Kapitalismus bei uns hinterlässt. We’re the bones under your feet/ The white lie of American prosperity/We wanna dance but we can’t feel the beat/ I’m a liar, don’t doubt my sincerity. Im Gegensatz zur Opulenz von Reflektor wirkt Everything Now manchmal selbst ein wenig blutleer und uneuphorisch. Vielleicht muss das bei einem Konzeptalbum zu diesem Thema auch einfach so sein.
Hurrah for the Riff Raff – Navigator
Der erste Blick auf das Plattencover erweckt Assoziationen an Ziggy Stardust. Alynda Segarra posiert hell erleuchtet vor einer nächtlich, urbanen semiabgefuckten Szene. Navigator erzählt amerikanische Geschichten, erzählt die amerikanische Geschichten, die erzählt wer Amerikaner puerco-ricanischer Herkunft ist. Navigator ist dabei als Konzeptalbum angelegt. Hauptprotagonist ist Alyndas Alter Ego Navita, sie selbst lief als Teenage-Punk von zuhause weg und landete schließlich in der Bronx. Auf Navigator schafft es Segarra ähnlich wie Patti Smith ihre Stories in packende treibende Songs zu stecken und diese mit Volldampf und Herzblut zu interpretieren. Die Platte ist ein Fusionsalbum genährt von der Kraft des Punk und der Verzweiflung eines Straßenkids auf der Suche nach Identität.
Lindsea Buckingham/ Christine VcVie
Herzlich willkommen beim Plaste-Blog mit der einzigen Best-of Liste der Welt die das Werk von Buckingham und VcVie zu würdigen weiß. Es ist der für Fleetwood Mac entkernte fast spartanische Sound, das Songwriting von Lindsay Buckingham und die Stimme von Chris VcVie die das Album zu einer kalorienarmen aber schmackhaften Fleetwood Mac Bulette verschmelzen. Aber wieso eigentlich die beiden? War nicht Buckingham mal mit der anderen, der mit den Locken verheiratet und dann geschieden. Ich werde mir 2018 wohl Rumours mal wieder anhören müssen, da steht alles geschrieben.
Gisbert von Knyphausen – Das Licht dieser Welt
von Knyphausen pausierte nach dem Tod seines Buddies Nils Koppruch fast vier Jahre. Ihre unveröffentlichte Version von “Etwas besseres als den Tod finden wir überall” schließt das Album mit Nils Koppruchs Gesang auf einem Demoband. Es sind die melancholischen manchmal traurigen Geschichten, die Knyphausen Album zur High-Rotation Angelegenheit in den Bildungsbürger-Haushalten macht. Absoluter Keytrack “Sonnige Grüße aus Kao Lak, Thailand”. Der Song fährt einen Film von Einsamkeit und enttäuschten Träumen, unerfüllter Liebe und letzten Hoffnungen ab.
Dürfen die das? Im Jahre des Herrn 2017 mit Frozen Explosion Frisuren rumrennen ihr Album “Desintegration”. Dazu einen Bass so tief stimmen, dass er jeden Radar unterfliegt und dabei so unverschämte catchy-gruftig Melodien auf Tablett legen, das Robert Smith dabei seinen Tee verschüttet. Ja Klez.de darf das, denn 2017 war das ganze Jahr Herbst. Die sinnentleerten gefährlichen Phrasen des Nationalismus “Ein Licht aus hoher Emotion” . Das Bild von Kindern die in Trümmerlandschaften spielen , weil die “Drohnen” bei Regen nicht fliegen können. Die Forderung nach Antidepressiva, um sich nicht mehr spüren zu müssen. “Desintegration” ist schimmernde, schwarze Musik mit bedrückendem Themen in einem traurigen Jahr.
Benjamine Clementine – I tell a fly
I tell a fly ist eine Barockoperette, ein fein verziertes Schlösschen gebaut aus Chansons, Jazzballaden, Klavieretüden, Kammerpop. Zusammengehalten von Clementines Gesang, angelehnt an Anthony Hagerty und verbeugend von Nina Simone. I tell a Fly ist aber keine Kitsch-Oper unter dem Blattgold steckt der Wahnsinn unserer Zeit. “By the Ports of Europa” berichtet über die Flüchtlingswelle aus Afrika. “God save the Jungle” reflektiert die Zustände in den Flüchtlingscamps von Calais.
War on Drugs – A Deeper Understanding
Es ist ja nicht schlimm, wenn eine Band irgendwas von “Bruce Springsteen” hat. Damit darf auf Plaste mal eine Plattenkritik beginnen. War on Drugs Mastermind Adam Granduiel geht es aber nicht um den Amerikanischen Traum. Er hat eine Vision von einem Sound, einer Choreografie unter deren Oberfläche sich die Charaktäre seiner Geschichten tummeln. Im Gegensatz Springsteen oder Neil Young hat Granduiel seine Intrument auch zum Großteil selbst bespielt. A Deeper Understanding ist eine Platte mit einer in sich geschlossenen Oberfläche, das Album das Bono schon immer machen wollte und wohl nicht mehr hinbekommt.
The National – Sleep Well Beast
The National haben mit ihren ersten sechs Alben einen eher geflegten Sound kultiviert. Immer ein wenig an der Eleganz eines Brian Ferry orientiert. Ein Brian Ferry, allerdings der mit all seiner Eleganz als ambivalente Persönlichkeit im mittleren Westen als Grundschullehrer versauert. “Sleep well Beast” ist bei all dem unruhiger, das fast beängstigende Riff in “The System Only Dreams in Total Darkness” oder das wilde “Turtleneck” mal als Beispiel genannt. Ja auch für eine Platte wie Sleep Well Beast, würde ein Bono seine Sammlung mit lustigen Brillen verpfänden.
Als die Yoruba, die aus dem heutigen Nigeria und Benin stammten, nach Kuba kamen, wurden sie von ihren Vorfahren abgeschnitte und versklavt. Aber ihre Kultur überlebte mit Liedern und spirituellen Praktiken, die über Generationen weitergegeben wurden. Ibeyis zweite LP Ash – minimalistische Arrangements von modernem Jazz, Soul und Hip-Hop elegant gewebt mit westafrikanischen Rhythmen trägt das Gewicht der Geschichte auf ihren Schultern. Mit Auto-Tuned Spirituals, spanischen Raps und jazzigen Saxophon-Soli trotzt Ash den meisten Kategorisierungsversuchen. Ihre bloße Existenz ist der Beweis für eine Kultur, die sich weigerte, unterdrückt zu werden, und ihre Schönheit zeugt von dem Schmerz, der sie möglich gemacht hat.
Various Artists – Pop Makossa – The Invasive Dance Beat of Cameroon 1976-1984
Der Makossa, der bei uns vom Saxofonisten Manu Dibango mit seinem Hit Soul Makossa bekannt gemacht wurde, ist einer der großen Tanzstile Westafrikas. Es ist die nationale Musik von Kamerun. Sie entstand als traditionelle Rhythmen mit Rumba und Funk in den Städten verschmolzen. Die Songs hier wurden während einer klassischen Ära für den Stil aufgenommen, aber zu einer Zeit, als afrikanische Musikin der „ersten Welt“ noch weitgehend unbekannt war. Sie klingen immer noch herrlich frisch, hauptsächlich dank der zwingenden und durchdringenden Basslinien, die jeden Track dominieren. Kamerun ist berühmt für seine Bassisten, und der Bass hier ist hypnotisch, ob nun als Unterstützung für die funkige Gitarre bei der stampfenden Pop Mokassa Invasion oder für Bill Lokos Soul-Hit von 1980, Nen Lambo.
Various Artists – Soul of a Nation — Afro-Centric Visions in the Age of Black Power: Underground Jazz, Street Funk, & the Roots of Rap 1968-79
1968 brannten in den USA die Städte. Malcom X und Martin Luther King waren ermordet worden, aber ihre Saat, ihr Botschaften für Gleichberechtigung und gegen den Rassismus ging auf. Begleitend zu einer Ausstellung in der Modern Tate Galerie veröffentlichte Soul Jazz Records diesen Sampler. Er startet mit der bekanntesten Nummer „The Revolution can not televised“ von Gill Scott Heron. Eine Botschaft, die ihre Aktualität noch immer nicht verloren hat. Wenn auch das Fernsehen keine Rolle mehr dabei spielt. Don Cherry liefert ein grandioses Stück Weltbeat und Jazz Vibraphonist Roy Ayers umarmt den Panafrikanismus. Eine sehr deepe, sehr soulfulle und sehr wichtige Platte.
Das erste The xx Album war für mich eine konsequente Weiterentwicklung dessen was die “Young Marble Giants” 1980 und „Everything but the Girl“ in den 90ern begannen. Skelettierte Schönheit, der geflüsterte Gesang von Romy und Oliver, kristallklare Gitarren und der Ansatz einer vehuschten Nerdigkeit. “Coexist” offenbarte nichts Neues wohl aber die Arbeiten von Jamie xx für das letzte Gill Scott Heron Werk und sein Soloalbum. “In Colors” verlötete und verschraubte Jamies‘ Trademark-Introvertriertheit mit den stilbildenden Dancegrooves der 10er Jahre.
„I see you“ liegt zwar nicht genau dazwischen, die Band bekommt aber keinen roten Kopf mehr, wenn zum Tanz aufgefordert wird. „On Hold“ hat sogar seinen verschlungenen Weg ins Format Radio gefunden. Die neuen Stücke klingen treibender, souveräner schielen immer wieder auf den Tanzfläche, wie der 8-Klässler mit der dicken Brille bei der Klassenparty. The xx haben sich weiterentwickelt ohne ihren Markenkern zu verraten und Jamie xx dürfte in der DJ-Coolness-Endabrechnung der 10er ganz oben stehen. Auch sehr schön die Reminiszenz an Kiss “Double Platinum” von 1978, das ich mir jetzt nicht mehr wg. seines Covers kaufen muss.
Auf Produkte aus dem Hause Brainfeeder ist Verlass, vor allem bei der Auslegung und Weiterentwicklung des ollen Staubfängers Jazz. Flying Lotus hat das Genre elektronisch zerhäckselt. Kendrick Lamar nutzt ihn zum Aufpimpen von Hip Hop und Kamasi Washington nähert sich deep aber respektvoll. Thundercat hat auf all ihren Alben mitgespielt. “Drunk” sein drittes Album und klingt sehr Zukunft, und weniger nach 50er Jahre Nachtcafes und Rollkragenpullimief.
Die Musik fusst auf aufgebrochenen Gitarren und Bassakkorden, dazwischen pluckert Seventies Funk, R&B, in einem Sound wie von einem Steely Dan Album, bei dem versehentlich die Hälfte der Tonspuren gelöscht wurden. Thundercat wagt sich sogar in Richtung Yacht-Rock, nur dass dieses Schiff von einem durchknallten drogengetränkten Kapitän gesteuert wird. Drunk bietet Pupswitze ebenso wie einen Pharell Willams im flirrenden und wabbernden “The Turn Down”, der dort die aktuellen gesellschaftlichen Probleme der USA verhandelt. „One More glass to go, where this ends we’ll never know“