Eigentlich hatte ich vor Blackstar beim nächsten Plattenreview ganz nach oben zu setzen. Ich wollte darüber schreiben, dass Bowie jetzt in der “Scott-Walker Liga” angekommen und düstere, inspirierte Alterwerke raushauen wird. Dass er sich mit sicherem Instinkt die Brainfeeder Produktionen angehört hat. Ich wollte darüber spekulieren ob es das beste Werk seit “Lodger” oder “Scary Monsters” ist. Und ich wollte damit prahlen, dass ich Bowies letztes Konzert um einen Tag verpasst habe, ich hatte 2003 eine Karte für das Southside Festival, am Tag vorher hatte er beim Hurricane Festival einen Herzinfarkt. Es wird nun keine Konzerte mehr mit David Bowie geben.
Und dann stehe ich um heute morgen um 8.04 Uhr im Stau, erster Arbeitstag 2016, Schneeregen, schlechte Laune, 1°C. Im DLF spricht der Moderator über weitere Verschärfungen des Asylrechts und dann höre. blah blah blah. Rockstar ..David Bowie tot blah blah. Ich denke, falsch David Bowie hatte Geburtstag, falsch David Bowie hat eine neue Platte rausgebracht. Da stirbt man doch nicht einfach hinterher, das kann er doch nicht bringen.
David Bowie war für mich als Teenager die höchste Inkarnation eines Rockstars. Androgyn, geheimnisvoll, ein Alien vom Planeten Pop. „Sound and Vision“ war nicht nur ein Popsong, das waren auch geheimnisvolle Geräusche aus einer Welt an der ich teilhaben wollte. Ich wollte, das ab jetzt Popmusik für mich immer so klingen soll. Bowie hatte es in den siebzigern geschafft was die Beatles für die sechziger geleistet haben, nämlich nach einer Teeniephase mit Hits, Hits, Hits nochmal aufzudrehen und Pop und Kunst zu vereinen. Was Bowie dabei den Beatles voraus hatte war die absolute Coolness. Wo die Fab Four immer zwischen lustig und zauselig oszillierten und inzwischen dick Patina angesetzt haben, da war Bowie einfach „The thin white duke“ und bis heute die Ikonie für Pop. Deshalb gab es 2013 auch eine große Bowie-Ausstellung in den Museen. Sicherlich hatte er großen Anteil daran, dass Pop Ende der siebziger Jahre komplett ausreizt war und sich seitdem nur noch um sich selbst dreht. Er hat einfach nichts für die anderen übrig gelassen.
Der Bowie nach „Scary Monster“ hat mich immer ein bißchen kalt gelassen. Ich habe mich 1983 gefreut, dass er mit „Let’s Dance“ einen Mainstream-Hit hatte. Ich habe mich mit Grauen von seiner Band Tin Machine abgewandt. Ich habe in die 90er Jahre Produktionen immer mal wieder reingehört, na ja, na ja. Ich mochte den LCD Soundsystem Remix von Love ist Lost. Ich schätzte ihn als coolen Typen, weil er bei „The Next Day“ auf dem Cover einen „Heroes“ Bezug setzte, um mit Mitte sechzig nochmal einen Neustart zu markieren. Und weil er sich zum 69. Geburtstag eine neue Platte schenkte, habe ich mir Blackstar gleich im Stream angehört. Ein dunkles schimmerndes Album, beim dem schon beim ersten Hören klar wird, dass man sich die flirrende Faszination dieser Musik erarbeiten wird. Eigentlich unfassbar, dass sich jemand vor dem Hintergrund einer solch schweren Krankheit künstlerisch nochmal so komplett neu erfindet.
So was konnte nur David Bowie. Ruhe in Frieden Thin White Duke.