No more heroes: Neue Platten von The Pop Group, Gang of Four, Chris & Cosey…

…sowie ein Sequel der Punk 45 Serie

the Pop Group, Mark Stewart, Citizen Zombie

Drei stilbildende Bands der frühen 80er haben veröffentlicht. Plaste klärt auf, informiert und erläutert wie sich die Herrschaften so gehalten haben. Außerdem wird die  „Punk 45“  Reihe mit Szeneportraits aus dem mittleren Westen der USA fortgesetzt. Und natürlich fragen wir uns: Schlagen sich unsere Helden aus den 80ern beim Comeback covermässig wackerer als die Hippie-Heroen Pink Floyd?

 

Pop Group – Citizien Zombie

The_Pop_Group_Citizen_Zombie-400x379Für die nach 1970 geborenen

Ihre erste Platte “Y” von 1979 war ein nicht umpflügbares Amalgan aus Punk, Jazz, Pop und einer Tonne Dub viel näher an Ornette Coleman als an den Sex Pistols. Aber auch getragen von feinen Melodien, die einen ständigem Kampf gegen den Freejazz -Dubmahlstrom zu bestehen hatten. Y war eine meistgesuchtesten Platten in den 80ern. (Meine Suche dauerte von 1982 – 1987)

 

Größte Heldentat im Postpunk Zeitalter

Lösten sich nach einem Open-Air Konzert vor über 250.000 Zuschauern auf, weil sich Mark Stewart mehr um Politik kümmern wollte. Der charismatische Lautsprecher, Netzwerker, Strippenzieher und Verschwörungstheoretiker machte jedoch solo weiter. Schön portraitiert übrigens von Toni Schifer in der empfehlenswerten Doku On/Off .

Die neue Platte

Gleich mal vorab, „Mad Truth“ oder „s.o.p.h.i.a.“ sind ordentliche Kracher, Ohrwürmer und persönliche Sommerhitanwärter. Pop Group setzen mit Citizen Zombie da an wo sie 1980 aufgehört hatten. Funk, Dub, Politik, Mark Stewarts Kippstimme und immer noch gern ein Schäufelchen Dub oben drauf. So MUSS man nicht vorgehen, vor allem wenn man sich die Weiterentwicklung der Musiker in der Post-Pop-Group Phase mit Rip Rig and Panic  Pig Bag oder Marks Solosachen ansieht. Da wir uns aber im postmodernen Zeitalter der Popmusik befinden, dürfen die Mitfünfziger ruhig ihre Geschichte zuende schreiben und sich als lebende Legende mit dem Produzenten von Kate Perry selbst für ihre Lebenswerk belohnen. Die ganze Platte  klingt überraschend frisch. Häufig nach einer ganz jungen Band, die versucht möglichst viele Ideen in ihren Songs unterzubringen.  Kürzlich habe ich mich sogar dabei ertappt wie ich die die Melodie von “Mad Truth” am Fotokopierer vor mich hingesummt habe.

Ist ihr Cover schlechter als das der letzten Pink Floyd Platte?

Lord Kitchener steht sicherlich für einen hochpolitischen Bezug und Mark Stewart wird sich etwas dabei gedacht haben. Das Motiv wirkt ein wenig abgenudelt, aber nein schlechter als Pink Floyd auf keinen Fall

 

Gang of Four – What Happens Next?

Gang of Four What happens nextFür die nach 1970 geborenen

Gang of Four haben mit dem minimalischten Post-Punk-Power-Funk  von “Entertainment” eines der All-Time-Top-100-Alben abgeliefert. Ihr Gastsänger Herbert Grönemeyer ist in  Deutschland als Schauspieler von “Das Boot” bekannt. Er hat auch einige, vom großen Publikum wenig beachtete, Platten selbst vollgesungen und  veröffentlicht.

Größte Heldentat im Postpunk Zeitalter

Die vier waren bekennende Marxisten und verweigerten sich einem Pop of the Tops Auftritt, weil sie dazu das Wörtchen “Rubber” aus „At Home he’s a Tourist“ streichen sollten. Der Durchbruch beim englischen Teenie Publikum, hohe Chartsplatzierungen und eine Karriere ala Simple Minds waren danach gegessen.

Die neue Platte

Gang of Four, Herbert Grönemeyer
Gang of Five. Herbert G. wanzt sich an seine Post-Punk Helden ran.

Ist ein dunkler Monolith, der am ehesten als verkohlte Variante ders 1983er Album “Hard” durchgehen könnte. Die Tracks bauen sich um Andy Gills funkig-harten Trademark Gitarrensound. Und jetzt kommts “Die sind gar nicht mal so schlecht”. Beim Hören der Platte geht es mir jedoch wie bei vielen Bands, die ich irgendwann mal geliebt habe (vgl. Interpol, Tocotronic). Sie klingen immer noch gut, aber mittendrin habe ich das Gefühl, dass eine Partie Mau-Mau zum Zeitvertreib auch nicht schlecht wäre.  Nicht falsch verstehen “What happens next” kann immer noch mit jeder englischen Indie-Platte mithalten und Gang of Four sind immer gut, als Band für den Samstag Nachmittag beim Southside Festival, vor allem die 90er Jahre Schmockrock-Einlagen würden sich beim Moshpit gut machen. Ich werde auch keinem Mit-Fünfziger mit Sex Pistols T-Shirts Sammlung verbieten sich die Platte zu kaufen.  Die Alison Mosshart Coop “England’s in my Bones” wäre zudem die Bereichung jedes Disco-Besuchs, falls es welche gäbe in denen das Stück läuft. Vielleicht hinterlässt auch nur der Gedanke, dass die Platte besser unter Andy Gill & Friends als Gang of Four firmiert hätte einen schalen Nachgeschmack. Ach ja die Stücke mit dem deutschen Schauspieler. Ja. der wird wohl Schauspieler bleiben müssen, war aber ein netter Versuch vom Altpunk aus Bochum.

Ist ihr Cover schlechter als das der letzten Pink Floyd Platte?

Das düsteren Twin-Towers passen zum pessimistischen Sounddesign von “What happens Next”  und wären versehen mit einer Gothic Schrift in der Black Metall Ecke sogar verkaufsfördernd. Andy Gill hat sich bestimmt etwas dabei gedacht. Hätten sie Grönemeyer auf dem Cover, käme ich ins Grübeln. Aber so, nein nicht schlechter als Pink Floyd

 

Carter Tutti – Carter Tutti Play Chris & Cosey

CS558869-01A-MEDFür die nach 1970 geborenen

Chris Carter und Cosey van Tutti waren Mitglieder des Industrial Künstler Musik Kollektivs/Band Throbbing Gristle. Cosey von Tutti trat u.a. auch als Schauspielerin in Pornofilmen des Regisseurs Lasse Braun auf.  Als Chris & Cosey kreiierten die beiden ab Anfang der 80er einen verhuschten Erotik-Electro-Synthie Pop, der ein wenig ein den Hypnagogig Pop der frühen 2010 einzahlte.

Größte Heldentat im Postpunk Zeitalter

Zeigten noch zu Throbbing Gristle Zeiten während einer Live-Vorstellung ein Kastrationsvideo und sperrten dazu die Tür des Veranstaltungsraums ab. Musikalisch hatten sie viel zu bieten aber sowas bleibt halt hängen.

Die neue Platte

Die beiden spielen lt. Plattencover “auf vielfachen Fanwunsch nach einer Liveplatte oder Versionen, die genau so klingen wie die Songs auf ihrern Tourneen”  ein Set ihrer alten Tracks neu ein.  Der spinnwebendünn verhauchte Sound der 80er Jahre weicht dabei einem gediegenen-bodenständigen Synthiepopsound. Aber man muß ja auch mal fragen dürfen: “Was hatten die denn schon vor 30 Jahren schon zur Verfügung? Dampfbetriebene Kleinstcasios aus Trio-Restbeständen. Billigsynthies mit Fußdynamo.” Da wird es ja wohl erlaubt sein, den alten Schlonz mal auf den Müll zu werfen und das Geraffel richtig zu produzieren. Und – es tut den Stücken wirklich gut. Eine coole Platte also für alle, die sich über die Auflösung von “The Knife” grämen und denen die neu Purity Ring zu glatt ist. Auch geeignet als Vatertagsgeschenk für den Depeche Mode Fan der ersten Stunde.

Ist ihr Cover schlechter als das der letzten Pink Floyd Platte?

Das Cover zeigt die beiden verfremdet durch ein Pixel-weißes-Rauschen Design, beste 80er Jahre also in Reinkultur. Da haben sich ein Künstler, Herr Carter oder Frau Tutti sicherlich was dabei gedacht. Kein Motiv für den weleda-Abreisskalender und deshalb besser als Pink Floyd

 

Punk 45, Akron Ohio: Punk and the Decline of the Mid West 1975 – 1980

Punk 45, Cleveland Ohio: Punk and the Decline of the Mid West 1975-1980

169830Für die nach 1970 geborenen

Im Umbruch von postindustriellem zum prädigitalem Zeitalter entstanden in den 70er und 80er immer dort wo ganze Industrien und damit auch soziokulturellen Strukturen kollabierten die interessantesten Szenen, z.B. in Manchester (Joy Divsison, Factory), Detroit (House) und eben eine agile Punkszene ehemaligen Rubberbelt im mittleren Westen der USA

Grösste Heldentat im Post-Punk Zeitalter

Pere Ubu war eine der innovativsten Post-Punk Art-Bands und sind heute immer noch aktiv. Auch die Waitresses ergatterten in der frühen 80ern eine mittlere Karriere in angesagten New Wave Segement. Tja und Devo sind die mit dem Typ im lustigen Overall  vom oscarprämierten Lego-Soundtrack.

Die Platten

Die Bands ozszillieren zwischen Art-Punk und MC5 orientiertem prog-freiem Rock. „Heart of Darkness“ von Pere Ubu präsentiert schon eine fertige Band. Interessanter zum Entdecken sind aber andere Protagonisten, z.B. die zu unrecht vergessenen Electric Eels. Eine Proto-Punk Band mit sehr viel Gespür für Hooklines und gute Melodien. Ebenfalls wiederentdeckenswert sind die Bizarros, die stark beeínflußt von den Stooges eine Blaupause für den britischen Punk-Rock der späten 70er ablieferten. Verbindend bei allen Bands der beiden Sampler ist der hohe Energielevell und Rotzfaktor der Musik auf der einen und die schiere Lust am Experiment auf der anderen Seite.  Und hier reden wir nicht nur von Devo, auch Bands wie wie beispielsweise Tin Huey, die stylemässig wie eine Karnevalsband daherkamen, versuchen sich an einer art durchgeknalltem “mechanical jazz”.  Die Proto-Punk Bands sind noch weit vom Style des Londoner Rasierklingenschicks entfernt, die Bizarros beispielsweise erinnern eher an meine Lehrer in der siebten Klasse. Schön, dass es Soul Jazz Records gibt, die uns diese kleine raue,  unbehauene Welt des Post-Firestone Zeitalters konserviert haben.

Fazit: Menschen, die mit Punk sozialisiert wurden dürfen gern mit ihren Bands ohne Gram in Würde altern und müssen sich nicht mit Jungspundbands abmühen. Der Missionsfaktor ist allerdings gering, meine Tochter (11 Jahre) dreht mir beim Hören der Punk 45 Sampler regelmäßig den Ton leiser.

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