Trümmer und Mind Mint live at the Zipfel-Bowl
Vor dem Limba schluffelt ein altes Ehepaar durchs Schneestöber und schaut verwirrt durchs Fenster auf die Rückseite der Trümmer-Bühnendeko. Vielleicht ist ihnen ihr allabendlicher Blick ins Limba versperrt, vielleicht sind sie auch nur auf dem Weg zum Müller-Markt um sich ihre Eckes-Edelkirsch Ration zu besorgen oder auf der Suche nach einer montäglichen Demo.
So in Gedanken und bandmässig schlecht vorbereitet stolpere ich erstmal fast über den vierten Toco, der immer so lustig frisiert ist und heute mit seiner Band Mint Mind den Abend eröffnet
Mint Mind ist spielfreudig, grundsympathischer Garagenpunkpop, bei dem Rick Mcphails putzige Ansagen immer herausragen. Was für Höllenqualen muß der Mann durchleben, wenn er bei den Tocotronic-Konzerten stundenlang schweigen muß. Bei der Geschichte allerdings, dass man Friends nicht mehr an der Kleidung erkennen kann und rechts und links inzwischen eben gleich cool daherkommen muss ich ihm doch widersprechen. Ja Mr. McPhail waren Sie denn noch nie auf einer SBH-Giga Kundgebung (übrigens der einzige Pegida Ableger mit einem zusätzlichen Akronym-Problem)? Denn deren Teilnehmer sehen original aus wie die Typen, die einem in Albträumen begegnen, wenn man abends vor dem Schlafengehen 500g Wurstsalat ohne Brot (aber mit viel Zwiebeln) zu sich nimmt.
Im Limba bestätigen Trümmer die Plaste-These (Klosterfrau-Melissengeist-Journaille und Spex-Schreiber aufgepasst!) dass sie keine intellektuell abgebremste Hamburger Schule Diskursband sind, sondern voll abliefern wenn es darauf ankommt. Lustigerweise schwappt während des Gigs gleich zweimal die Geschichte von dem Herrn dessen Tochter schonmal mit Paul Pötsch geknutscht hat, nach vorne. Da scheint hinter der Theke jemand die Gerüchtewurfmaschine eingeschaltet zu haben.
Trümmer ist eine „komplette“ Band. Heißt – die Platte funktioniert auch auf dem Sofa, die Texte sind schlau und mit den Gitarrenriffs könnten die Sportfreunde Stiller ihre Rente finanzieren. Live gehen Trümmer auf die 12 UND Paul trägt ein Corrosive T-Shirt (Icon für unschlagbares Auskennertum und die erste große Referenzierung des Abends). In den ganz magischen Momenten, z.B. bei „Wo ist die Euphorie?“ sind sie The Clash 1978, The Jesus and Marychain 1985 oder The Strokes 2001. Verkörpern genau das große Versprechen von Pop, nämlich den Soundtrack zur Adolenzenz zu liefern. Das sind Momente in dem der Fan einfach nur noch den Refrain und abgespeicherte Textfetzen mitbrüllen will (If you want to fight the System you have to flight to hööölf)
Sprich Pop braucht Hymnen und wir haben sie im Limba bekommen. Und dann noch „Teenage Kicks“ als Zugabe. Including der berühmten Zeile „Are Teenage dreams so hart to beat“, die sich John Peel auf seinen Grabstein meißeln lies. Holla die Waldfee, in welcher Gebrauchsanleitung für junge Bands findet man solche Referenzen. Bei soviel Cleverness und Herzblut dürfen wir uns auf eine ganz große zweite Platte freuen und sollte es mit der Karriere nicht klappen hat uns Paul Pötsch gezeigt, dass er dann als weltbester Chris Münch Imitator über die Jahrmärkte tingeln kann.
Fazit: Ein großer Abend. Prof Michael Hoyer produzieren Sie dazu einen Wandkalender! Siegfried Heinzmann bitte sofort ein Sachbuch schreiben, in 2er Auflage in der Stadtbibliothek streuen und eines bitte an das alte Villinger Ehepaar verschenken.
Wer den Text jetzt brav fertig gelesen hat, darf die tolle Bildergalerie anschauen. Die Fotos stammen von A.W. Anja Bronner.
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