Ein halbes Jahr vor dem Konzert hatte ich bei der Tour des Hannoveraner No Fun Labels mein erstes ernsthaftes Punkkonzert gesehen. Was sich aber bei mir ins Gedächtnis eingebrannte war die Konservenmusik vor dem Konzert. Elektrisiert saß ich auf dem Boden der Albstadt-Ebinger Mehrzweckhalle und hörte zum ersten Mal DAF und die Fehlfarben. Die „Neue Deutsche Welle“ als Begriff 1979 von Alfred Hilsberg erfunden, war damit auch im Schwarzwald-Baar-Kreis angekommen.
Mit NDW habe ich jetzt natürlich ein kleines semantisches Problem, aber das löst sich vielleicht noch während des Berichts auf. Tatsache ist, dass zwischen Sommer 1980 und Frühling 1981 in Deutschland ein musikalisches Pendant zum britischen Post-Punk entstanden war. Im Wochentakt veröffentlichten neue Bands wie der Plan, Palais Schaumburg, DAF aber auch Popacts wie Nichts oder Fehlfarben aufregende Musik und ich dachte das müsste wohl immer so weiter gehen. Tja und eine dieser Band war eben Trio. Die beiden Zentralorgane für neue Musik hießen Sounds, das war zum einen die Schweizer Radiosendung und zum anderen die ehemalige Hippiepostille, deren Wirken zwischen 1980 bis 1982 popjournalistisch in Deutschland immer noch unerreicht ist. Und das wars – Endegelände. Die Bands veröffentlichten Singles in Miniauflagen, die jeden Abend im Schweizer öffentlich-rechtlichen Radio liefen (das bitte sicherheitshalber zweimal lesen). Auf die Idee, dass je ein Konzert abseits bluesrockiger Zauselbärtigkeit, jenseits von Frankfurt oder München stattfinden könnte kam keiner (Ach ja, Autos waren auch Mangelware). Allerdings entwickelte sich außgerechnet Rottweil für einen Herzschlag, zu einem kulturellen Epizentrum des deutschen Postpunk, denn am 27.11.1981 spielten Trio auf ihrer Plattenladentour in der Musikbox, einem Plattenladen,der damals durchaus gut durchwachsen sortiert war und erst Ende der Achtziger seine Credibiltiy verlor als Böse Onkels Platten unter der Ladentheke verkauft wurden. Und, damit möchte ich jetzt auch meine Einleitung beenden, kurzfristig durfte Trio nämlich am Abend noch im Hallenstadion vor (oder nach) einer Band spielen, deren Name zusammen mit ihrer Musik, ihrem Auftreten und ihrer Ausstrahlung von meinen Hirn wahrscheinlich bereits Mitte 1983 komplett ins sanfte Reich des Vergessens komplimentiert wurde. Neben der Bühne stand ein Standschlagzeug und ein Sonnenschirm.
Und DAS war die Bühne von Trio: Für die knackige Gitarre von Kralle Krawinckel, das stoische Schlagzeug von Clown Peter Behrends und die Charm-Entertainment Qualitäten von Stephan Remmler. Eigentlich hätte uns sofort dämmern müssen, dass die mit den coolen Post-Punks ala Abwärts nicht viel am Hut haben können aber für solche Gedanken war das ganze zu intelligent zu lustig. Das Cover mit der Telefon-Nr. aus Großenkneten (wobei ich das eher mit Kapitalismuskritik als einer real exitierenden Ortschaft in Verbindung gebracht habe), der Drummer, der mit Bierbüchsen auf seinem Bizeps jongliert und Remmler, der nach dem Konzert jedem Zuschauer die Hand geschüttelt hat. Tja und dann natürlich noch die Geschichte als Remmler ein Billigcasio auspackt aus dem ein lustiges Riff pluckert, ein Stück das wohl zu albern für die LP war, aber doch irgendwie lustig „Ichliebdichnichtduliebstmichnicht“. Das Lied, das auch im Moment läuft, während ich diese Zeilen schreibe und das meine 10-jährige Tochter, die auf dem Sofa sitzt und laut mitsingt. The Birth of a Mega-Welthit, der an diesem Abend aber keine große Rolle spielte. Am Schluß standen die 20 Zuschauer mit remmlergeschüttelten Händen um einen einen Sonnenschirm mit Standschlagzeug und waren glücklich über die großartige Performance, die man in Rottweil 1981 nicht unbedingt jeden Tag erwarten durfte.
Eine Woche später stieg Grauzones „Eisbär“ als erste NDW Single in die deutschen Charts. Im Frühjahr 1982 kletterte auch Dadada in die Hitparaden und die Musikindustrie die damals noch einen Arsch in der Hose hatte castete jeden Altjazzrocker, der bereit war zum Friseur zu gehen und in eine Zahnpastastreifenhose passte für einen NDW-Act. Im Mai 1982 traten Trio nochmal in Rottweil auf, da allerdings vor vollem Haus und als Chartstürmer. Dazu gibt es übrigens eine schöne und absolut passende Beschreibung des Organisators unter der Motto „Wie ich mein erstes Geld verdiente“. Heute findet die NDW nur noch in den unzähligen Kisten statt, die in Second Hand Plattenläden unter den regulären Regalen stehen, sie heißen z.B. „Dadada die neue deutsche Welle“ oder „NDW – ich will Spaß“ sie kosten nie über 4 Euro und befinden meistens noch in gutem Zustand. Kauft euch doch mal eine aus Mitleid!
Gute Schreibe. Ich war damals nicht offen genug sondern eher provinziell hardrockig unterwegs.
noch ein grosser moment in der provinz-historie:
„die toedliche doris“ live in villingen (?) beim zeltfestival, gesponsort by sparkasse,
vorzeitiger abbruch wegen unmut einer oertlichen motorradrockerhorde
details leider im gedaechtnisloch nicht mehr abrufbar…