Da leuchten momentan manch Altvorderen die Äuglein, angesichts der Aktivitäten des Aktionsbündnisses Jugend- und Kulturforum. Man streicht sich sanft lächelnd übers Bäuchlein und freut sich über die neue Generation, die nun nach fast 30 Jahren in die Fußstapfen …… äh. Oder etwa nicht? Plaste-Blog seit über 30 Jahren (mit kleinen Unterbrechungen) am Puls der Zeit untersucht Gemeinsamkeiten und Unterschiede und vergleicht Äpfel mit Birnen.
Also aufgepasst wir stellen also streng investigativ nebeneinander:
- Die Jugendbewegung der frühen 80er Jahre (nachfolgend J1 genannt) Sie hatte eine alternatives, autonomes Jugendzentrums zum Ziel.
- Die Jugendlichen des Aktionsbündnisses Jugend- und Kulturzentrum (im nachfolgenden J2 genannant). Ihr Ziel ist bereits aus ihrem Namen erkennbar.
Vorgeschichten
Bereits 1981 gab in Villingen die ersten Demos für eine Jugend- und Kulturzentrum. Geübt wurde für ein solches dann in Villingen in der Landwattenstraße und in Schwenningen im Cassa Blanca, einer Art Vereinsheim für Punks, das es sich als Untermieter einer Feintechnik-Fabrik in der Arndt-Str. gemütlich gemacht hatte. Auch J2 hat natürlich eine Vorgeschichte, das Konzept wurde von Harry Frey entwickelt. Die Jugendscheune existierte auch bereits zwischen 2004 und 2007 und ist sogar mit 300.000€ budgetiert. Ja, Hand aufs Herz, eigentlich haben unsere Kommunalpolitiker vor lauter aufrechter Kommunalpolitik nur vergessen das Geld für das neue Zentrum auszugeben. Seit Jahren steht ein Geldtöpfchen in einer staubigen Ecke und harrt einfach nur auf seine Wiederentdeckung durch die Gemeinderäte.
Soziokultureller Hintergrund
J1 wurde Großteils in den Siebzigern durch Lehrer mit Vollbärten und Cordhosen sozialisiert. In den letzten Jahren des Kalten Krieges war es auch supereinfach sich durch reines „Dagegensein“ und und eine linke Lebenseinstellung vom Rest der Bevölkerung nachhaltig zu differenzieren. Es reichte sogar schon ein entsprechender Look, z.B. eine „Atomkraft-Nein-Danke“ Button, um in Dorfdiscos wie dem Holzwurm in Schura eine blutige Lippe zu riskieren. Die Sozialisierung von J2 fand in der großen Krise des Turbokapitalimus statt, als (fast) jedem bewußt wurde, dass 1. Turbokapitalismus nicht wirklich .. 2. nicht jeden glücklich macht und 3. kein funktionsfähiges Gesellschaftsmodell ist (vgl. Kalter Krieg) ist. Ob es reiner Zufall ist, dass immer am Vorabend von gesellschaftlichen Veränderungen die Jugend in unserer Gegend so aktiv wird, kann ein einfach gestrickter Blog wie der unsrige natürlich nicht beantworten.
Die Sprecher
Sowohl Bernd Koch (J1) als auch Simeon Disch (J2) verfügen über ein zusätzliches kiemenartiges Atmungsorgan, dass es Ihnen erlaubt gleichzeitig zu sprechen und zu atmen. Politische Gegner landen chancenlos reihenweise zum Ohrenarzt.
Unterstützung
Hier liegt J2 ganz klar vorn. Die Sympathien der Bevölkerung gehören den jungen Leuten, das schlägt sich nicht nur in den ca. 1.200 Unterschriften nieder. J1 konnte damit leider nicht überhaupt punkten. Das Thema Hausbesetzung musste ich noch 20 Jahre später bei Klassentreffen aufgearbeiten (Diskussionpunkt: wer zu welchem Zeitpunkt Lust darauf hatte Prügel auszuteilen). Auf ebenso breiter Basis stand die Unterstützung durch die Lokalpolitik vor 30 Jahren, auch hier hat J2 klare Vorteile. Die Vertreter der Parteien im Gemeinderat sind so dermaßen dafür, dass das Kulturzentrum eigentlich schon längst das erste Jubiläum feiern müsste.
Schnittmenge
Ist aus rein biologischen Gründen sehr klein, wer kann sich schon über 30 Jahre als Jugendlicher halten. Unterstützer von J2 Dieter Sirringhaus hatte auf jeden Fall mit J1 noch ernsthafte Probleme. Wir erinnern uns noch lebhaft an seinen Fenstersprung aus dem Schwenninger Jugendhaus, als er die Bierdose eines Punks für eine gelandene Schußwaffe hielt.
Präsentationstechniken
J2 bediente sich bei der Jugendhilfeausschusssitzung einer Powerpoint-Präsentation um das Gremium zu überzeugen und kommuniziert ansonsten ein schlüssiges Konzept. Beim einzigen Termin von J1 im Rathaus konnte sich keiner der Rathaus-Bediensteten mehr so recht erinnern überhaupt jemanden eingeladen zu haben. Powerpoint war noch nicht erfunden und hätte auch nichts genutzt, als der Herr Wachtmeister kam.
Zukunftsaussichten mittelfristig
Es sieht ganz danach aus, als würde es in Zukunft ein Jugend- und Kulturzentrum geben. Aber auch die Generation J1 hatte zumindest einige Jahre lang unsere Stadt kulturell aufblühen lassen, trotz oder vielleicht gerade wegen den ignorant-sturen Dickschädeligkeit der Stadt.
Zukunftsaussichten langfristig
Der informellen Strukturen der ersten Welle von J1 sind zusammengebrochen, als die Protagonisten erwachsen wurden. Immerhin haben sich bis heute sich Institutionen wie das Cafe Limba, das Schwenninger Kurzfilmfestival oder die Schlüpfer- und Miedermanufaktur Viva Maria gehalten, und in diesem Fällen besuchen die Touristenbusse nicht nur Ruinen. Die neue Jugendbewegung hat jedoch die Chance langfristig für mehrere (Jugend-) Generationen etwas auf die Beine zu stellen. Ihnen gehört die Zukunft. So oder So.
Das Bild vom Casa hat mich wieder einmal daran erinnert dass früher doch alles besser war.. Jeder Fotograf war erst mal suspekt und wurde vorsorglich mit einem Stinkefinger begrüßt. Heutzutage wird ohne zu zögern gemeinsam blöde direkt in jedes Objektiv gegrinst das einem vors Gesicht gehalten wird.