Beim Betrachten unseres Kulturblogs könnte der Leser ja wirklich meinen, dass wir uns im Auge eines kulturellen Hurricans bewegen. Es ist aber so, dass unsere schöne Stadt ziemlich zwischen Schwarzwald und Baar eingeklemmt und deshalb nicht unbedingt immer mit einem sehr weiten Horizont gesegnet ist. Plaste goes Regionalpolitik und serviert vier Beispiele hierfür, zum Schmunzeln, Kopfschütteln und Fremdschämen.
Die Narros und der Tatort – 1994
1994 wollte der behäbige Tatort-Kommissar Bienzle mal in Villingen ermitteln. Gemordet werden sollte vor dem Hintergrund der Villinger Fasnet. Dies passte unseren Narros allerdings gar nicht, so schrieb der Zunftmeister der „Historischen Narrozunft Villingen 1584 e.V.“ an Drehbuchautor Felix Huby, dass es nicht angehen könne, dass „Narros Mörder oder Getötete“ sind, dabei werde die Fasnet in den Dreck gezogen. Recht haben sie unsere wackeren Narros. Denn ein Narro als solcher mordet nicht, der wird auch nicht ermordert, der stirbt auch nicht, der isst nicht,der trinkt, der lacht nicht. Er ist eine komplett ausgehöhlte Mumie, die zombiegleich einmal pro Jahr aus ihrer schwiemeligen Gruft krabbelt und ein einer dröhnend langweilig gefühlt 50 km langen Prozession durch die Stadt kriecht. Die Beobachter dieses Spektakels sind dann derart traumatisiert, dass sie sich die Murmel bis zum Armageddon fluten. Mehr dazu im Tatort-Fundus.
Fazit: Wer Brauchtum pflegt, muß auch Gebrauch davon machen
Stolpersteine 2004
Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Mit diesen Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die im Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Es gibt dabei auch kritische Stimmen, diese berufen sich auf die ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Charlotte Knobloch, dies war auch der Grund weshalb z.B. München auf die Verlegung der Steine verzichtet hat und das Projekt in Krefeld erst nach einem ein Bürgerbegehren durchgeführt wurde. Auch unsere schöne Stadt hat das Projekt abgelehnt, die Argumente hierfür haben sich unsere wackeren Kommunalpolitiker allerdings selbst in ihren eigenen Köpfen ausgedacht. So warnte Renate Breuning CDU vor einem „inflationären Anbringen von Gedenktafeln auf Schritt und Tritt“ es reichen die Gedenkstätten am Waldfriedhof und an der Gerberstr an Villingen (Allsamt staatlich anerkannte Kranzabwurfstellen, die von unserer Bevölkerung häufig und regelmässig frequentiert werden). Eine echt schwäbisch-allemanische Argumentation konnte sich Herr Berweck von den freien Wählern abringen, nämlich dass die Anbringung der Stolpersteine Rückschlüsse auf eine Enteignung der Häuser durch die aktuellen Besitzer zuliesse. Tja da denkt einer konsequent von hier bis zu den Grenzen des Horizonts. Ein Blick über die Tellerrand hätte ihn beispielweise darüber belehrt dass in einigen Städten die Hausbesitzer selbst entscheiden durften ob die Steine verlegt werden oder er hätte das Urteil des OLG Stuttgart gelesen, das keinen Wertverlust des Gebäudes (Und darum ging es ja wohl) bei der Verlegung der Stolpersteine erkennt. Aber Recht haben sie, Stolpersteine sollte man lieber in Städten legen, in denen z.B. seit 1979 NPD/DLVH Mitglieger im Gemeinderat sitzen aber bei uns braucht man sowas nicht.
Fazit: VS braucht keine Stolpersteine, hier stolpert man über seine eigenen Füsse.
Quellen: Wikipedia, Schwabo, Südkurier
Autonomes Jugendzentrum 1983-1985
Zu dieser Zeit drängte die letzte Babyboomer Generation auf den Markt. Sozialisiert von 68-Lehrern und geprägt von einer Industriemetropole in der innerhalb von 10 Jahren mehr als 20.000 Arbeitsplätze verloren gingen. Da wollten sich die Jugendlichen, die auch mit Engpässen auf dem Wohnungsmarkt zu kämpfen hatten nicht auch noch langweiligen oder sich vom unseeligen 80er Jahre Konsumquatsch anöden lassen. Also wurde in beiden Stadtteilen ein autonomes Jugendzentrum (vgl. Jugendscheune) gefordert. Und natürlich vom damaligen OB und dem Gemeinderat nach allen Regeln der Kunst ignoriert. Manchmal kam man dabei auch den Jugendlichen entgegen und vertröstete sie ein wenig, versprach sogar ein bißchen, um dann bei nächstbester Gelegenheit wieder alles konsequent zu ignorieren. Dummerweise offerierte die zusammenschnurrende Industrielandschaft eine ganze Reihe von leerstehenden Gebäuden und schwuppdiwupp hatten die Jugendlichen dann einfach ein Gebäude für 14 Tage besetzt. Als Treppenwitz des Kulturgeschichte sorgte dies für die nächsten 8-9 Jahre für eine ungeplante Blüte der alternativen Kultur in VS, über die sogar der Stern berichtet hat. Das allerdings ging in altbwährter Teflon-Manier am damaligen Gemeinderat, OB und Kulturamt völlig spurlos vorbei. Da trommelte auch schonmal Dave Grohl (Nirvana, Foo Fighters) im Schwenninger Jugendhaus, was wäre der heutzutage für eine Bereicherung jeder langen Kulturnacht, natürlich erst nachdem alle ABBA-Coverbands durch sind.
Fazit: Bei Badisch-Allemenischer dickschädliger Ignoranz kann der Schuß durchaus auch mal an hinten losgehen. Aber im Zweifelsfall sitzt man in VS doch noch alles aus.
Für alle die nicht dabei waren. Scream mit Drummer Dave Grohl im Jugendhaus Spektrumm anno domini 1989.
Rathauslösung ?-2012-?
40 Jahre eine Stadt, 1 Million € Kosten für die Aktenordnertransporte zwischen den Ämtern,x verschiede Orte für alle Ämter, Brandschutzauflagen nicht erfüllt, keine Barrierfreiheit. Tja, da musste eine Lösung her am besten ein neues Rathaus, dass dann symbolisch genau zwischen den beiden Stadtteilen platziert werden sollte. Oder besser gesagt, genau zwischen den Stühlen. Denn kaum war der Bau beschlossen, kamen einige Gemeinderäte nochmal aus dem Quark und gründeten eine Wutbürgerinitiative. Bitte nicht falsch verstehen, natürlich werden die Kosten für öffentliche Bauten grundsätzlich nie eingehalten, weil sie grundsätzlich komplett zu tief angesetzt werden. Wo kämen wir da hin, dann würde ja gar nichts mehr gebaut. Wenn allerdings die Gebäude stehen, interessiert das in der Regel wiederum kaum noch jemanden (siehe Kölner Dom, Pyramiden von Gizeh). Wirklich interessant waren dabei jedoch kleine Nebenkriegsschauplätze, wie die Kampagne eines Bürgers, der überquellende Mülleimer oder Unrat in öffentlichen Parks fotografiert hatte und in Bezug zum geplanten Rathaus gesetzt hat. Ja ja und wer seinen Dreck auf die Straße schmeißt, der hat auch kein neues Rathaus verdient. Egal, was die Rathausgegner mit ihren Argumenten sagen wollten, auf jeden Fall waren sie dabei erfolgreicher als die S21-Gegner in Stuttgart.
Fazit: Die Probleme sind nicht gelöst, man sollte aber dringend was tun. Was genau weiß keiner, aber immerhin dürfen dabei ein paar Bürger mitmachen.